Mehr Reichweite in der Prozessoptimierung mit Robotic Process Automation
Banken stehen täglich neu vor der Herausforderung, ein hohes Maß an Kundenzufriedenheit zu erzielen bei gleichzeitig möglichst niedrigem Ressourcenverbrauch. Traditionelle IT limitiert dies. Neue Technologien und Ansätze können hier entscheidende Optimierungen bringen.
Seit der Finanzkrise in 2008 stellt man fest, dass Schweizer Banken im Durchschnitt signifikante Einbußen auf der Ertragsseite aufweisen. Geldinstitute sind seither auf der Suche nach Wegen, um die Erträge wieder zu steigern. Umsatzseitige Wachstumschancen ergeben sich aufgrund der sinkenden Margen oft nur durch erhöhten Produktabsatz (z.B. Hypothekenmarkt), die jedoch mit höherem Risiko (z.B. Ausfallrisiko) erkauft werden. Gleichzeitig haben Kostenreduktionspläne, insbesondere beim Personal, nur marginal geholfen. Im Compliance-Bereich ist aufgrund der Zunahme an Regulierung sogar ein Personalwachstum festzustellen. Moderne Prozessoptimierungsansätze helfen dabei, zum einen die Kosten nachhaltig zu senken und zum anderen das Kundenerlebnis zu steigern. Dies verbessert auch die Cost Income Ratio.
Die durchgehende Prozessoptimierung scheitert an der IT und internen Kontrollfunktionen
Auf Prozessebene wächst die Komplexität aus verschiedenen Gründen, wie zum Beispiel:
- externe regulatorische Anforderungen und interne Dokumentations- und Kontrollpflichten;
- stetig steigende Kundenanforderung an eine verkürzte Reaktionszeit.
Die regulatorischen und internen Compliance-Anforderungen sollen sicherstellen, dass keine Formfehler oder unangebrachte Geschäftspraktiken vorkommen, zum Schutz von Aktionären, Kunden und anderen Stakeholdern wie Steuerzahlern. Auf der anderen Seite muss die Bank die Produkte am Markt laufend aktiv anpassen und rasch liefern, um den sich schnell ändernden Kundenanforderungen gerecht zu werden. Die Dynamik an der Front ist nicht immer kompatibel mit dem Sicherheitsbedürfnis der Kontrollfunktionen.
Ein weiterer limitierender Faktor der Prozessoptimierung ist die IT-Landschaft, die typischerweise sehr heterogen ist. Dies ist zum einen auf interne Änderungen in der IT («historisch gewachsen») zurückzuführen wie auch auf M&A-Aktivitäten. So sind oft alte «Legacy»-Systeme im Einsatz, die aufgrund von Abhängigkeiten nicht schnell ersetzt werden können. Die mit dem Austausch verbundenen Risiken und Kosten sind kaum abzuschätzen. Nicht integrierte und alte Systeme limitieren somit die Möglichkeit, Geschäftsprozesse effizienter zu gestalten und den aktuellen Anforderungen des Bankgeschäfts anzupassen. Die Prozessoptimierung im Spannungsfeld einer sich schnell ändernden Regulatorik und bei gestiegenen Kundenanforderungen ist bereits für sich alleine betrachtet eine große Herausforderung. Zusammen mit den Grenzen der heutigen IT-Landschaft gleichen diese Herausforderungen einem gordischen Knoten. Dessen Auflösung benötigt einen innovativen Lösungsansatz.
Prozessoptimierung als Katalysator für nachhaltige Kosteneinsparungen
Um die Kosten langfristig zu senken, sollte die Prozessoptimierung holistisch als Leitmotiv eingeführt werden (siehe Abb. 1). Im Rahmen dessen wird im ersten Schritt der Ist- Zustand eines Prozesses ermittelt. Dafür ist eine akkurate Dokumentation nötig, die mittels detaillierter Analyse erstellt werden muss. Die effektiven Kosten der analysierten Prozesse lassen sich mit verschiedenen Werkzeugen ermitteln. Um sie zu bestimmen, werden bspw. statistisch notwendige Daten (wie z.B. Volumenkennzahlen, Tickets etc.) hinzugezogen. Diese Daten werden mittels Quervergleichen innerhalb der Abteilung bzw. zugeordent zu einzelnen Prozessen verifiziert. In den anschließenden Workshops werden die Prozessprobleme, die im Rahmen der Analyse identifiziert wurden, mit den entsprechenden Fachpersonen («subject matter experts» or «SMEs») definiert, quantifiziert und validiert. Probleme werden als sogenannte «Verschwendungen » («Waste») bezeichnet (siehe unten). Konkrete Verschwendungen, die die Wertschöpfungskette fragmentieren und Prozesse ineffizient machen, können die folgenden sein:
- Transport: z.B. die mangelhafte Weitergabe von Informationen von System A nach B,
- Aufgabenstau: z.B. bei unerledigten Aufgaben, die sich seit mehr als der normalen Bearbeitungszeit in der Warteschlange befinden,
- Bewegung: z.B. Anrufe und weitere Kommunikation, die notwendig ist, um einen Fall/eine Anfrage abzuschließen bzw. zu bearbeiten, die den Prozess aber aufhalten,
- Ausschuss: z.B. Fälle, welche falsch eröffnet, verarbeitet oder geschlossen werden,
- Perfektionismus: z.B. Verarbeiten der Anfragen außerhalb der Bürozeiten, obwohl mit dem Kunden jeweils ein Service Level Agreement zum «nächsten Arbeitstag » definiert wurde,
- Überschuss: z.B. Anreichern von Informationen, die später nicht verwendet werden,
- Wartezeiten: z.B. wenn ein System nicht operativ ist,
- Skills: z.B. die falschen Skills am falschen Ort, die verhindern, dass eine Aufgabe richtig bearbeitet wird.
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Die Prozessoptimierung stellt dabei ein Optimierungsprobem mit den drei Dimensionen Kosten, Zeit und Qualität dar. Alle drei gleichzeitig zu maximieren, ist nicht realistisch. Pro Prozess muss definiert werden, ob die Zahlungsbereitschaft des Bankkunden eher bei einer «günstigen», «schnellen » oder «sicheren» Lösung liegt. Damit ergibt sich ein Muster, wie man identifizierten Verschwendungen begegnen sollte. Je nach Paradigma «günstig», «schnell» oder «sicher» werden Prozessteile in verschiedenen Kombinationen eliminiert, vereinfacht oder automatisiert («Eliminate–Simplify– Automate» oder auch «ESA-Prinzip»). Die Prozesskosten und -kennzahlen liegen nach der anfänglichen Analyse vor, somit kann die Performance auch künftig beobachtet und Verbesserungen oder Verschlechterungen können gegenüber der Ausgangslage umgehend deutlich gemacht werden.
Die abgeleiteten Maßnahmen, um Verschwendungen zu beheben, müssen nun umgesetzt werden. In der Praxis gibt es auf Prozessebene Ineffizienzen, die aufgrund der IT-Limitationen nicht umgangen werden können. Um diese verbleibenden Ineffizienzen anzugehen, ist die Unterstützung von Robotik Process Automation hilfreich.
Robotic Process Automation als Schlüssel für integrierte Prozessoptimierung
Automatisierung ist im Bankwesen ist nichts Neues. Vorteile wie Präzision, Geschwindigkeit, 24/7-Verfügbarkeit und Auditabilität sind bereits bekannt. Die Automatisierung der hochvolumigen «Front-to-Back»-Prozesse im Sinne von «Straight Trough Processing» (STP) ist bereits weit fortgeschritten, und es wird weiterhin viel investiert, um die letzten Prozente rauszuholen. Für die Automatisierung von Aktivitäten kleinerer Volumina hat sich die traditionelle IT jedoch oft als zu teuer herausgestellt, wodurch es bis heute keine Business Cases gibt. Das Potenzial konnte daher bis dato nicht erschlossen werden.
Mit Robotic Process Automation (RPA) kann durch tiefere Kostenschwellen und kürzere Implementationszyklen (siehe auch Abb. 2) die Reichweite der Prozessoptimierung- und Automatisierung erweitert werden. Die Roboter folgen einer regelbasierten Logik und bedienen sich den Bildschirmoberflächen (Graphical User Interfaces, auch GUIs), um Prozesse auszuführen. Dabei werden bestehende Validierungen, Sicherheitskontrollen und Daten verwendet, was die Risiken und Entwicklungsaufwände massiv reduziert. Es müssen dabei weder Validierungen, Security, Datenmodelle oder Schnittstellen im herkömmlichen Sinne angefasst werden.
Ein typischer Anwendungsfall für RPA ist die Integration zweier Systeme, um Medienbrüche zu vermeiden, die sonst Geschäftsprozesse negativ beeinflussen und «Verschwendung » verursachen. Mit RPA lassen sich über das «User Interface » Brücken zwischen bestehenden Systemen bauen. Die Fähigkeit von RPA, sich rasch in Applikationen integrieren zu lassen, hilft insbesondere auch in Fällen mit undokumentierten Legacy-Systemen. Damit lassen sich Prozesse durchgehend optimieren.
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Durch den Einsatz von Robotern ist es somit möglich, die Prozessoptimierung nochmals deutlich voranzutreiben und damit IT-induzierte Verschwendung zu eliminieren.
Im Sinne der durchgehenden Prozessoptimierung sollen die Roboter «Hand in Hand» mit den Mitarbeitern arbeiten. Um die Interaktion zwischen Mensch und Roboter zu vereinfachen und gleichzeitig sicherzustellen, dass ein Prozess effizient gesteuert wird, bietet sich der unterstützende Einsatz von Business Process Management BPM und Case Management Tools an. Innerhalb von diesen Tools werden Geschäftsfälle von A bis Z dargestellt und zugeteilt. Diese Tools können mit RPA integriert werden (z.B. via Webservices). Roboter können die Prozessergebnisse dann mit Mitarbeitern austauschen und vice versa. Der Roboter bearbeitet systematisch die regelbasierten Prozessteile. Mithilfe des BPM Tools ordnet er Prozessteile, die kognitives Wissen erfordern, automatisch an den jeweils zuständigen und frei verfügbaren Mitarbeiter weiter.
Manche BPM Tools erlauben sogar eine «live» Zusammenarbeit zwischen Mitarbeiter und Roboter – zum Beispiel wenn die Logik des Roboters aufgrund eines komplexen Zusammenhangs Unterstützung vom Mitarbeiter braucht, um eine Entscheidung zu treffen. Dieser integrierte «Human-in-the-loop»-Ansatz erlaubt, Prozessoptimierungsinitiativen gezielt und effektiv zu unterstützen.
RPA kann auch durch intelligente Komponenten ergänzt werden, welche die Verarbeitung von unstrukturierten Daten ermöglichen (z.B. Dokumente oder E-Mails). Im Kontext einer integrierten Prozessoptimierungs-Initiative, kann RPA – mit Zusatzelementen wie BPM Tools oder intelligenten Komponenten – funktionale Defizite in der IT decken, und zwar in kürzester Zeit und mit kleineren finanziellen und operativen Risiken im Vergleich zu herkömmlichen Automatisierungsmethoden.
Prozessoptimierung und RPA in einem volatilen und komplexen Umfeld
Externe, nicht beeinflussbare regulatorische und makroökonomische Trends bringen Chancen und Gefahren. Deshalb haben die operative Effizienz und Agilität einer Bank höchste Priorität. 70% der befragten Schweizer Banken einer repräsentativen Studie aus dem Jahr 2018 nennen Innovation, Ertragswachstum und Effizienzsteigerungen als ihren wichtigsten strategischen Fokus für die nächsten sechs bis zwölf Monate. Prozessoptimierung hilft, indem Erträge priorisiert werden. Effizienzsteigerungen werden als Mittel benutzt, um diese zu erreichen. Der kombinierte und parallele Einsatz von RPA erlaubt nicht nur, die Effizienzsteigerungen im vollkommenen Umfang zu erreichen – er ist sogar ein Faktor, der Innovation fördert. Die womöglich veraltete IT-Landschaft kann mithilfe von RPA leichter mit neuen Technologien kombiniert und in diese integriert werden. Es überrascht daher nicht, dass 75% der Befragten positiv zu RPA steht, vor allem in den Bereichen Middle & Back Office.